32. Konferenz für gewerkschaftliche Zusammenarbeit in Europa 2021 in Bratislava
Vom 21.- bis 23. Oktober 2021 hat die 32. Konferenz für gewerkschaftliche Zusammenarbeit in Europa (KGZE) 2021 in Bratislava unter dem Titel „Können die Werte der „Christlichen Soziallehre“ Orientierung bieten in einer neuen Normalität nach Corona? Wie haben sich der „soziale Dialog“ und die Arbeitswelt verändert?“ stattgefunden.
Aufgrund der instabilen Covid 19-Situation in Europa wurde die Veranstaltung sowohl als Präsenz- als auch als Online-Veranstaltung durchgeführt.
ÖZA-Präsident Dr. Norbert Schnedl bezeichnete in seinem Grußwort die KGZE als wichtiges Signal im EZA-Netzwerk. Mit den Fragen zur Klimakrise und der Forderung nach einer „ökosozialen Marktwirtschaft“ werden wichtige Themen angesprochen, ebenso mit der Digitalisierung. Wir müssen wieder vermehrt zum Dialog bereit sein, auch eigene Gedanken immer hinterfragen (Sir Karl Popper: Auf der Suche nach einer besseren Welt). Die Covid-Pandemie hat zu sozialen Verwerfungen geführt, unsere Konferenz macht sich auf die Suche nach Lösungen.
Stellvertretend für die inhaltlichen Schwerpunkte und Referent*innen dieser Konferenz möchten wir an dieser Stelle einige Diskussionsansätze und Auszüge der Präsentationen anführen:
Welche Grundlagen für einen eigenständigen „European Way Of Life“ braucht es, damit wir nicht in alte Muster zurückfallen? Können wir aus der Kunst und der Religion inspiriert, Wege zu einer „neuen Normalität“ finden?
Christian WABL, Österreich: Als Künstler beschreibt er uralte Weisheiten des Christentums. Das Wichtigste sind die Werte – aber wie gelingt deren Umsetzung? Er beschreibt auch die Wichtigkeit von Geld zur Umsetzung von Ideen. Im biblischen Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg geht es nicht um die Leistung des Einzelnen, sondern um ein würdevolles Leben – ein Gegenentwurf zur Leistungsgesellschaft.
Prof. Milan KATUNINEC, Trnava: Auch in einer post-pandemischen Welt braucht es ein Minimum an gemeinsam geteilten Werten. Nur die Pflege einer „Kunst des Streitens“ führt zu dauerhaften Lösungen bei Konflikten. Die Christliche Soziallehre könnte ein „großes Licht“ im europäischen Wertekanon sein, wird aber oft von vielen kleinen Lichtlein in den Hintergrund gedrängt. Dies auch, weil die Fähigkeit zur Unterscheidung verloren geht. Viele Junge erleben nur mehr Fragmentierung und Polarisierung: Wir verstehen andere nicht mehr und werden von anderen nicht verstanden. Wir müssen den Raum für einen Dialog kultivieren, verständlich erklären können, nicht flüchten, sondern das argumentative Terrain betreten.
Können die Werte der Christlichen Soziallehre für AN-Organisationen Orientierung bieten in einer neuen Normalität nach der Corona-Pandemie?
Dr. Karin PETTER-TRAUSZNITZ, ÖZA: Sie beschreibt die Digitalisierung als neue Normalität. Die Christliche Soziallehre steht für eine Kultur des Miteinander, wo eine Balance zwischen Einzelwohl und Gemeinwohl herrscht. Die Ökosoziale Marktwirtschaft (Begründer: Josef Riegler, Österreich) ist ein großer Schatz, der uns vom Raubbau zu einer zukunftsfähigen und friedensfähigen Kultur führt. Die Soziallehre begründet eine Werthaltung, die Ethik einmahnt und Konsequenzen für kommende Generationen hat – sie ist eine überzeugende Alternative.
Stefan HUSTAVA, NKOS: Den Ausgangspunkt bildet immer der Mensch mit seiner unantastbaren Würde. Die Soziallehre ist die Mindestanforderung für Grundrechte und Freiheiten. Es finden sich zahlreiche biblische Ausgangspunkte für die Menschenrechte, das Recht auf Arbeit, das Recht auf Ruhezeit, das Recht auf gerechten Lohn, das Recht auf Versammlungen (Bildung von Gewerkschaften), das Streikrecht, …
Wie haben sich durch die weltweite Corona Pandemie der „soziale Dialog“ und die Arbeitswelt verändert?
Irina SEMJONOVA, Lettland (ZOOM): Mit einer Präsentation (PPP) beschreibt Irina die Situation in Lettland, die leider wieder von neuerlichen Maßnahmen (Lockdown) gegen die Ausbereitung der Corona-Pandemie geprägt ist.
Prof. Viorel ROTILA, Rumänien (ZOOM): Ebenfalls in einer Präsentation (PPP) beschreibt Viorel die dramatische Situation in Rumänien. Als Überschrift stellt er die Frage, ob wir in einer neune „Eiszeit“ des sozialen Dialogs leben – und die Gewerkschaften – wie einst das Mammut – vom Aussterben bedroht sind.
Wie haben sich durch die weltweite Corona Pandemie der „soziale Dialog“ und die Arbeitswelt verändert?
Veselina STARCHEVA, PODKREPA, Bulgarien: Weltweit nutzen 81% den sozialen Dialog, um eine konsensuale Einigung zu erzielen. In Bulgarien herrscht große Armut, das Mindesteinkommen liegt bei Euro 350,- und 22,6% der Bevölkerung sind armutsgefährdet. Die Krise hat eine radikale Veränderung der Arbeit gebracht (Digitale Welt), aber die Menschen leben in einer realen Welt. Gewerkschaft muss Räume der Begegnung schaffen. Um ein wertvoller Sozialpartner zu sein, müssen Gewerkschaften: kommunikativer, flexibler, und integriert werden, sowie fähig im Netzwerk zu arbeiten. Es brauch eine Re-Aktivierung des sozialen Dialogs, damit wir besser/stärker zurückkommen!
Doc. Ing. Lubica CERNA, NKOS, Slowakei: In der Slowakei gab es einen Regierungswechsel, die Pandemie ging auch leicht zurück. Notverordnungen, nach wie vor leidet das Land unter Korruptionsfällen. Es gab – wie in vielen europäischen Staaten – Unterstützung für Firmen und eine Covid-Ampel. Anfangs viel Solidarität in der Gesellschaft, aber das ging rasch zurück. Durch die Digitalisierung verschieben sich die Arbeitsweisen, den ganzen Tag ONLINE sein ist oft sehr belastend, auch für die Familien.
SCHLUSSFOLGERUNGEN der KGZE
Die „Christliche Soziallehre“, ihre Werte und Prinzipien, bilden den Kompass unserer Gewerkschaftspolitik.
Ausgehend von diesem Werte-Fundament müssen wir neue Antworten für das 21. Jahrhundert und Krisen – die weit über die aktuelle Corona-Pandemie hinausgehen – finden.
Die modernen globalen Herausforderungen lauten:
- Digitalisierung
- Demografische Entwicklung
- Globalisierung
- Klimawandel
Das Werte-Fundament der Soziallehre:
- VORRANG MENSCH: Wir müssen uns Bereiche bewahren, die wir nicht unter dem Kosten-Nutzen-Kalkül der Wirtschaft betrachten dürfen, weil es um die Menschenwürde geht. Ein Beispiel dafür ist das Geschenk des Sonntags.
- GEMEINWOHL: Die Globalisierung darf sich nicht ausschließlich an wirtschaftlichen Erfordernissen orientieren, sondern muss universelles Gemeinwohl schaffen. Dazu braucht es internationale Ordnungsrahmen.
- GERECHTE VERTEILUNG: Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, die zum Leben notwendigen Güter der Erde in Anspruch zu nehmen. Dies erfordert, Angst und Gier zu beherrschen und gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln.
- SUBSIDIARITÄT: In vielen Familien wurde besonders in Krisen Großartiges geleistet. Für die Zukunft ist für Familien der wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lebensraum sicherzustellen. Und es braucht gesellschaftliche Balance.
- LEBENDIGE DEMOKRATIE: Um die Demokratie in der EU zu stärken, dürfen wir die EU nicht zu einem Projekt der Kommissare verkommen lassen, sondern müssen uns als aktive Bürger/innen politisch engagieren.
- SOLIDARITÄT: Der weltweiten Corona-Pandemie, die Menschen völlig unterschiedlich getroffen und Ungerechtigkeit aufgedeckt hat, muss eine „Pandemie der Solidarität“ folgen, die Gerechtigkeit fördert, um Solidarität wachsen zu lassen.
- NACHHALTIGKEIT: Beim Neustart nach der wirtschaftlichen Talsohle müssen wir statt einem „freien Markt“ eine „fairen Markt“ schaffen, der eine neue Balance zwischen Wirtschaft, Sozialstaat und Schutz der Umwelt herstellt.
Bei der Umsetzung setzen die Teilnehmer/innen der KGZE in Bratislava auf den Menschen mit seiner unantastbaren Würde, nicht auf Ideologien.
Wir bauen auf das Engagement der kleinen Einheiten, nicht das Tätigwerden anonymer Apparate.
Weil wir keine Gesellschaft von Egoisten wollen, machen wir uns auch weiterhin für die Zusammenarbeit stark und wollen:
- Erfahrungen austauschen
- Neue Erkenntnisse gewinnen
- Vernetzen
- Öffentlichkeit informieren